Historie Gutenbergstraße 12
Die Gutenbergstraße war jahrhundertelang als Hundgasse bekannt. Um 1800 in Treuestraße umbenannt, erhielt sie 1898 ihren jetzigen Namen. Das Anwesen Gutenbergstraße 12 gilt als größter Speyerer Fachwerkbau des 18. Jahrhunderts.
Die Speyerer Baudenkmaltopographie bezeichnet einen „über L-förmigem Grundriss an der Einmündung der Wintergas-se gelegenen zweigeschossigen Bau, ein langgestrecktes straßenseitiges Haupthaus im Erdgeschoss massiv, im Oberge-schoss in Fachwerkbauweise mit dichtem Zierfachwerk. Satteldach mit Schleppgauben über einem nach 1800 erneuerten klassizistischen Traufgebälk“.
Vorgängerbau ist das 1663 bereits bestehende Anwesen des Dr. Johann Georg Vergenius, Prokurator am Reichskam-mergericht in Speyer. Sein Besitz, eine „Behausung sampt Gartten und Zugehör“, liegt in der Gutenbergstraße zwischen der heutigen Mathäus-Hotz-Straße und der Wintergasse, hinten an die Stadtmauer grenzend. Das Gesamtareal war damals größer als das heutige, umfasste noch die späteren Anwesen 11a und 11b (1960 abgerissen für einen Neubau). Zwischen 1676 und Oktober 1684 verstirbt der Juristensohn Vergenius, er erlebt somit die Stadtzerstörung 1689 und das allgemeine Exil nicht mehr.
1704 ist Johann Daniel Schönfelder der erste bekannte Besitzer, wohl auch Erbauer eines neuen Anwesens auf dem al-ten Gelände: Es ist ein Wirtshaus, das er „Zum Bären“ nennt.
Damals erwirbt er auch einen angrenzenden „leeren Hausplatz“ für 150 fl von Jakob Mayer. Schönfelder soll bereits 1698 Speyerer Bürger geworden sein, diese Annahme ist aber nicht registriert. 1706 verstirbt er. Sein Nachfolger wird Johann Georg König (1667-1712/14), „Bierbrauer, von Rhodt unter Rippurg = Rietburg mit seinem Weibe, Maria Magdalena, und haben drei Kinder mitgebracht (…)“ – so ist er im Bürgerannahmebuch am 10.04.1702 verzeichnet. Die Speyerer Stadt-vermessung von 1714 erwähnt „nur“ noch eine „Bärenwürttin“. Ein gleichnamiger Sohn, mittlerweile Rat und Bierbrauer des „Goldenen Schwanen“, veräußert seine Hälfte des Anwesens 1735 an Bierbrauer Georg Wilhelm Lauch. Der hatte am 14.02.1735 das Bürgerrecht erworben und die Speyererin Maria Barbara Kausler geheiratet. Am 30.09.1737 kauft er von der Witwe Lahrer deren Braugerechtigkeit ihres Hauses „Zum Silberberg“, für 96 fl. 1738 erwirbt er die andere Hälfte des Anwesens und baut dann ein Brauhaus. Am 26.01.1751 werden ihm die Zwillinge Esajas und Johann Henrich geboren; ihr Taufeintrag bezeichnet ihn als „Gastwirt Zum Römischen Kaiser“ – die erste dokumentierte Erwähnung der Gaststätte unter diesem Namen. Der „Kayserwirth“ stirbt am 14.11.1758, knapp 56 Jahre alt, „an einer 18jährigen Brustbeschwerung, Husten und starkem Auswurf“. (Die Diagnose ist ein Begriff des 18.Jhs und meint Tuberkulose.) Lauchs Gesamterbe ist umfang-reich, hat einen Wert von über 11 700 fl – davon allein die Gaststätte über 3 100 fl einschließlich Brauhaus, Schild- und Braurecht – Garten, Scheuer, Stallung, einer Kelter(!) sowie den mit einem Nachbarn gemeinschaftlichen Brunnen. Lauchs Witwe heiratet bereits am 2. August 1759 mit Sondererlaubnis des Rats den Bierbrauer Johann Georg Weiß (+ 1781), der die in Familienbesitz verbliebene Gaststätte weiterführt. Lauchs Sohn Esaias legt den Bürgereid im Dezember 1773 ab, zahlt kurz darauf das Bürgergeld für seine Braut Maria Magdalena, geb. Weis, verwitwete von der Feld aus Heidelberg, so-wie für deren Tochter Catharina.
Damals beschreibt die Beckersche Stadtvermessung das Anwesen wie folgt: Nr. 449 „Georg Weis der Bierbrauer oder vielmehr die Lauchische Erben“:
„ein zweistöckigtes langes Wirths- und Brauhauß. Zum Römischen Kayser genandt, sambt Hof, Brauhauß, Scheuer, Stal-lungen, Kelter, Schopff, Garten, Kegelbahn, und Gartenhauß. Hat im Hof einen (..) gemeinschaftlichen Bronnen. Ist vornen breit 140 Schuh, breit hinten an der Stadtmauer 235 Schuh, das Brauhauß ist tieff biß an ein vorstehendes Eck im Garten 141 Schuh (…)“.
Am 28.10.1784 setzt Esaias Lauch testamentarisch seine Stieftochter Catharina geb. von der Feld als Universalerbin ein; falls sie jedoch „ohne eheliche Leibeserben“ stirbt, soll das Erbe an ihre Mutter fallen.
Ein weiterer Besitzer der Gaststätte, der aus Germersheim stammende reformierte Bierbrauer Philipp Jacob Ehrmann fällt, wie Johann Wilhelm Lauch, der Tuberkulose zum Opfer. Noch nicht einmal 30 Jahre zählt der Müllerssohn, als er am 31.08.1794 „an der Auszehrung“ stirbt. Erst fünf Jahre zuvor war er Speyerer Bürger geworden. Seine Witwe Maria Wilhel-mina geb. Buser heiratet bereits ein Dreivierteljahr später den Speyerer Bürger und Bierbrauer Friedrich Christoph Schreyer, einen Bäckersohn. Beider Sohn Friedrich übernimmt jedoch nicht die Gaststätte, daher verkauft die Mutter das Anwesen an den Speyerer Bierbrauer Esaias Tresch – wiederum eines Bäckers Sohn. Dieser ehelicht am 18. April 1797 Maria Barbara Welcker, Tochter des Hospitalschreibers. Nach seinem Tod tritt die Witwe pflichtgemäß am 31.07.1818 in die neue Bayeri-sche Brandversicherung ein; das Wohnhaus mit Gaststätte wird damals auf 4000 fl geschätzt, Brauhaus und Scheuer / Stal-lung auf je 1000 fl.
In den folgenden Jahrzehnten wechselt das Anwesen noch mehrmals den Besitzer;
über Philipp Hauser (ca. 1836) und schließlich 1867 zu einem Eigner mit dem passenden Namen Biersack! 1868 führt das älteste Speyerer Adressbuch den „Römischen Kaiser“ nicht unter den Gaststätten, sondern bei den Herbergen für Hand-werks-Gesellen; das Baurecht scheint also veräußert worden zu sein. 1881 wechselt der „Römische Kaiser“ wiederum den Besitz, er gehört nun dem Bierbrauer Johann Heinrich Eberle (1843-1888). Ihn beerbt seine Witwe Apollonia geb. Engel (1855-1939). Damals besteht das Anwesen aus „zweistöckigem Wohnhaus mit Einfahrt, Wirtschaftsräumen und Seitenbau, Stallung“ Übrigens beherbergt nun das umfangreichere Gesamtanwesen seit 1899 auch ein Busdepot, Garage und Werk-statt der ältesten Busgesellschaft Deutschlands, der bis 1910 bestehenden Motorwagengesellschaft Speyer. Den Eigentü-mern des Römischen Kaiser wird die zusätzliche Einnahmequelle durch Vermietung und Mehrverzehr durch Wartende sehr recht gewesen sein – aber die Beschwerden der Anlieger über die mit Eisenreifen rumpelnden Busse sind legendär, war doch die einstige ruhige Treuegasse zur hierdurch meistbelasteten Wohnstraße geworden. Erst 1905 wurde die Technik in das Haidsche Anwesen (Mühlturmstr. 3) verlegt. Nach dem Ersten Weltkrieg hält im Hof – vermutlich auch nicht immer sehr leise – eine Karussell-Reitschule jahrelang ihren „Winterschlaf“; der große Schuppen soll 1938 abgebrannt sein.
Auf Apollonia Eberle folgt Sohn Johann Georg (1883-1967), nicht nur Wirt, sondern auch gelernter Metzger. Sein jüngerer Sohn Georg Friedrich (geb.1913) ist schließlich Inhaber des „Römischen Kaiser* in dritter Generation – an die hundert Jahre also befindet sich die Gaststätte im Eberleschen Familienbesitz!
Im Juli 1986 wird die traditionsreiche Gaststätte als „Ristorante La Grotta“ von den Brüdern Franco und Salvatore Tremmi-liti im mediterranen Stil eröffnet. Seit 2004 ist Salvatore Tremmiliti der alleinige Eigentümer und führt den Betrieb gemeinsam mit seiner Familie. Am 17. März 2011 wird das Anwesen nach größeren Umbauten (vor allem Dacherneuerung, Umgestal-tung des Hofs zu einer Sonnenterrasse) neu eröffnet. Wenig später ist auch der Umbau der Gästezimmer abgeschlossen. Die Hausfront der unter Denkmalschutz stehenden Gaststätte trägt außer dem heutigen Namen nach wie vor den Schriftzug „Gasthaus Zum Römischen Kaiser“.
Zeichnung: Werner Brand zusammengestellt archivalischen Quellen geschildert von Kathrin Hopstock